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Community Call #1

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Hallo Ihr Lieben,

als neuer Verein mussten wir schon jetzt einen Rückschlag hinnehmen: Wir wurden nicht als gemeinnützige Körperschaft anerkannt. Damit gelten wir rechtlich nicht als selbstlos tätige Organisation, die dem Gemeinwohl dient und unsere Steuerbegünstigung fällt weg. Die Förderung von Kunst und Kultur ist im Gemeinnützigkeitsrecht verankert. Laut Finanzamt würden wir uns aber der Kultur zugunsten unserer politischen Vorstellungen bedienen – und politische Betätigungen gelten nicht als gemeinnützig. Das ist ein harter Schlag ins Gesicht und zeigt, mit welchen Scheuklappen auf Gesellschaft und Kultur geblickt wird. Bei der Erstellung unserer Satzung haben wir uns VOR ALLEM gefragt, wie man als Kulturverein möglichst gemeinnützig sein kann. Wie kann man das Gemeinwohl bestmöglich fördern? Was müssen wir dafür leisten? Gerade das ist uns jetzt auf die Füße gefallen. Warum wir nicht unsere eigenen politischen Vorstellungen durchsetzen wollen, sondern die Förderung von Gemeinwohl sowieso als politisch betrachten, erklären wir nachfolgend. 
Uns ist wichtig, dass unser Verein kollektives Bewusstsein aktiv fördert. Wir wollen Grenzen überwinden. Brücken bauen. Uns unserer Umwelt bewusst sein und etwas Positives zur Gesellschaft beitragen. Kein privilegierter Spaß- und Spielclub sein. Kein exklusiver Ort für „Kulturschaffende“, die sich gegenseitig bespaßen. Das ist aber wohl das, was der Gesetzgeber von uns will. Singen, tanzen, lachen und bloß nicht politisch sein…
Aber was ist denn nicht politisch? Man kann gar nicht unpolitisch sein. Alleine das ist eine politische Entscheidung. Wir müssen jeden Tag unser Zusammenleben regeln und verhandeln. Wenn wir uns nicht damit beschäftigen, ist unsere Demokratie gefährdet.
Allen ist bewusst, wie viele Kräfte es zurzeit gegen die Demokratie gibt. Die Förderung von Gemeinwohl ist enorm wichtig, um dem eine positive Entwicklung entgegen zu setzen. Die Kraft der Begegnung unterschiedlicher Menschen wieder mehr zu schätzen, statt auf Abgrenzung zu setzen… mehr Empathie zu schaffen… und gerade Kunst und Kultur können so viel dazu beitragen, weil sie Menschen über Klassen, Geschlechter, Nationen etc. hinweg emotional berühren.
Als Verein ist es unsere Vision, Gesellschaft und Kultur innovativ zu verbinden. Zwar geht es in erster Linie um Musik und andere Kunstformen als Türöffner, aber Gemeinschaft zu fördern, gehört für uns mit dazu. Es ist sowieso falsch, von Kunst und Kultur als isolierte Tätigkeiten auszugehen, die mit Gesellschaft und Politik nichts zu tun haben. Der Kulturwissenschaftler Ernst Cassirer beschreibt seinen Forschungsgegenstand, also „die Kultur“, als alles Symbolische, was der Mensch hervorbringt. Also zum Beispiel die Vorstellung einer Nation. Niemand hat Deutschland je gesehen. Wir können eine Sprache sprechen, eine Bürokratie und ein Rechtssystem auf Basis unserer Vorstellungen von richtig und falsch errichten, Grenzen ziehen, eine Identität entwickeln – aber das ist alles Kultur. Es ist menschengemacht. Es folgt einer bestimmten Idee davon, wie die Gesellschaft zu sein hat. Der Vorwurf an uns, politische Vorstellungen durchsetzen zu wollen, sagt daher letztendlich mehr über die Ideologie des Staatsapparates aus, als über unsere. Ideologie ist sowieso wie Mundgeruch: es haben immer nur die anderen.



Wir wollen das Wort gemeinnützig aktiv beleben. Unter Gemeinnützigkeit wird im Gesetzestext der Abgabenordnung (AO) Verhalten definiert, das dem Gemeinwohl selbstlos dient. Es darf nicht gewinnorientiert und nicht auf Einzel- oder Gruppeninteressen bezogen sein. Wegen einiger missbräuchlicher Nutzungen zur Steuervermeidung von parteinahen Vereinen wurde das Gemeinnützigkeitsrecht in den 1980er Jahren verschärft. Politik und Gemeinnützigkeit sollten klar voneinander abgegrenzt werden. Diese Abgrenzung ist leider sehr schlecht gelungen. Zum Beispiel gilt bürgerschaftliches Engagement noch als gemeinnützig, aber nicht die Förderung von Menschenrechten. Man kann es so zusammenfassen: Entwicklungshilfe ist ok, aber die Ursachen für ihre Notwendigkeit sollen Vereine nicht bearbeiten. Den Armen ein bisschen helfen ist ok, aber bloß nicht nachforschen, warum sie arm sind. Politisch Verfolgten zu helfen ist ok, aber die Wurzeln der Diskriminierung bleiben unangetastet usw.
Das Gemeinnützigkeitsrecht ist unzeitgemäß. Dieser Meinung ist auch die Juristin Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Ihrer Ansicht nach entspricht die aktuelle Rechtsprechung nicht dem modernen Verständnis von Demokratie. Nicht nur Parteien sorgen für politische Willensbildung. Die Demokratie lebt insbesondere von einer belebten und aktiven Zivilgesellschaft.
In unserer „politischen“ Ausrichtung geht es also nicht darum, die öffentliche Meinung nach unseren Vorstellungen zu beeinflussen. Wir wollen die Wahrnehmung demokratischer Grundsätze trainieren und an politisches Verantwortungsbewusstsein appellieren. Wir wollen Menschen unterstützen, eigene Sichtweisen im Sinne des Gemeinwohls zu entwickeln. Das finden wir selbstverständlich. Und das sehen auch 200 weitere Vereine und Stiftungen so, die sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammengeschlossen haben, darunter Amnesty International und Brot für die Welt. Diese Allianz kämpft für die Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts, damit die Förderung von Demokratie, Menschenrechten, Klimaschutz und sozialem Zusammenhalt als gemeinnützig anerkannt werden. Das Thema ist auch schon im Bundestag angekommen – und wir warten sehnlichst auf eine sinnvolle Reform.
Was denkt ihr? Was bedeutet Community für euch? Wie lässt sich Gemeinwohl am besten fördern? Gerne würden wir die Frage weitergeben und gemeinsam darüber diskutieren. Unter dem Titel „Community Call“ werden wir immer wieder Beiträge zu verschiedenen Themen teilen, die sich mit Gemeinschaft auseinandersetzen.


In Liebe,
MONO e.V.


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